Die Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich ist abgeschlossen, die Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses (hier in englischer Sprache) sind veröffentlicht. Die Liste der positiven Bemerkungen ist kurz (2 Punkte), umso länger ist die Mängelliste. Nachstehend sind nur Anmerkungen zu den allgemeinen Grundsätzen und Verpflichtungen (Art. 1-4) übersetzt:
Der Ausschuß stellt mit großer Besorgnis fest, daß die Landesregierungen der Konvention nur wenig Aufmerksamkeit schenken.
Der Ausschuß empfiehlt den Regierungen aller Bundesländer, den in Artikel 27 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge kodifizierten Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts zu beachten, wonach sich eine Vertragspartei nicht auf die Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts berufen kann, um die Nichterfüllung eines Vertrages zu rechtfertigen, und den in Artikel 4 Absatz 5 des Übereinkommens festgelegten Grundsatz zu beachten, wonach sich „die Bestimmungen dieses Übereinkommens ohne jede Einschränkung oder Ausnahme auf alle Teile des Bundesstaates erstrecken“, und entsprechend zu handeln.
Der Ausschuß ist besorgt über eine Vielzahl unterschiedlicher gesetzgeberischer Ansätze zur Umsetzung des Übereinkommens auf Bundes- und Länderebene, einschließlich, aber nicht beschränkt auf sehr unterschiedliche Konzepte von Behinderung, die häufig auf einem medizinischen Verständnis von Behinderung beruhen. Der Ausschuss nimmt in diesem Zusammenhang insbesondere die Maßnahmen 1 bis 17 des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2022-2030 zur Kenntnis.
Der Ausschuss verweist auf seine Abschließenden Beobachtungen von 2013, Ziffern. 9 und 11, (CRPD/C/AUT/CO/1), seine Gesetze – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – zügig zu ändern, um das Bundesrecht und das Recht der Länder inhaltlich anzugleichen und mit dem Menschenrechtsmodell von Behinderung in Einklang zu bringen.
In Anbetracht des Erfüllungsvorbehalts, den der Nationalrat bei der Ratifizierung des Übereinkommens ausgesprochen hat, und der daraus resultierenden Abhängigkeit der gerichtlich einklagbaren individuellen Rechte von der innerstaatlichen Transformationsgesetzgebung ist der Ausschuss besorgt über die wirksame Umsetzung des Übereinkommens und die Bereitstellung wirksamer innerstaatlicher Rechtsbehelfe im Sinne von Artikel 2 des Fakultativprotokolls.
Der Ausschuss empfiehlt, innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, die gerichtlich einklagbare individuelle Rechte für alle durch das Übereinkommen garantierten individuellen Rechte vorsehen, oder seinen Erfüllungsvorbehalt aufzuheben.
Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass es weder auf Bundes- noch auf Landesebene strukturierte, gesetzlich verankerte Verfahren gibt, um Organisationen von Menschen mit Behinderungen eng zu konsultieren und aktiv in die Entwicklung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens einzubeziehen.
Unter Hinweis auf seine Allgemeine Bemerkung Nr. 7 (2018) und seine Abschließenden Beobachtungen von 2013, Ziff. 11, empfiehlt der Ausschuss dem Vertragsstaat, auf Bundes- und Landesebene Rechtsvorschriften zu erlassen, um strukturierte Prozesse zur engen Konsultation und aktiven Beteiligung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen an der Entwicklung, Umsetzung und Überwachung von Rechtsvorschriften und Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens einzuführen.
Der Ausschuß ist besorgt über das Fehlen etablierter Verfahren zur Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses, die er im Rahmen seines Verfahrens für individuelle Mitteilungen angenommen hat.
Der Ausschuss empfiehlt, auf Bundesebene und in den Ländern Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zur Umsetzung der fallspezifischen Empfehlungen der Einzelmitteilungen sowie Verfahren zur Umsetzung der allgemeinen Empfehlungen in den Einzelmitteilungen, die häufig gesetzgeberische oder ordnungspolitische Maßnahmen erfordern, zu schaffen.
In der Folge geht der Fachausschuss auf die einzelnen Artikel der Konvention ein (33). Österreich hat die UN-BRK vor 15 Jahren unterzeichnet, ab 26.10.2008 trat sie in Kraft. Sehr große Anstrengung zu ihrer Umsetzung hat es wohl nicht gegeben, sonst läse sich der Bericht des UN-Fachausschusses nicht wie eine Anklageschrift.