Grundsätzlich werden die Avatare nicht abgelehnt, aber kritisch betrachtet. Wenn sie adäquat eingesetzt werden, können sie eine sinnvolle Ergänzung zu menschlichen Gebärdensprach-Dolmetscherinnen und -Dolmetschern darstellen. Keinesfalls sind sie ein Ersatz für echte Gebärdensprach-Dolmetscher*innen. Überhaupt: Solange die Qualität ihrer Übersetzung nicht die Verständlichkeit von menschlichen Übersetzerinnen und Übersetzern erreicht, sollen die Avatare nur in Kombination mit Untertiteln eingesetzt werden.
Wahlmöglichkeit und Qualitätskontrolle
Die Forscherinnen Verena Krausneker und Sandra Schügerl befragen für ihre Studie über Gebärdensprach-Avatare gehörlose und hörende Proband*innen. Diese geben insgesamt 35 Empfehlungen für den Einsatz von Gebärdensprach-Avataren ab. Neben der sprachlichen Qualität der Avatare, die dem Bewegungsspektrum des menschlichen Oberkörpers möglichst angeglichen werden soll, steht vor allem die Qualitätskontrolle im Mittelpunkt. So gefordern sie, dass Avatare vor ihrer Veröffentlichung eine Qualitätskontrolle durch Expertinnen und Experten durchlaufen, die Gebärdensprache als Muttersprache haben. Vorgeschlagen wird hier z.B. eine von gehörlosen Spezialist*innen geleitete Qualitätsstelle, in der Avatare vorab eingereicht werden. Weiters bedarf es Qualitätskriterien für Avatarübersetzungen, die allgemein anwendbar sind. Zentral ist weiters, dass gehörlose Menschen die Wahl zwischen Avataren und menschlichen Dolmetscherinnen und Dolmetschern haben müssen. Nicht immer ist der Einsatz von Avataren sinnvoll. Die Avatare sind nur eine Ergänzung und niemals ein Ersatz. Wo und wann diese eingesetzt werden, darüber sollen gehörlose Menschen mitentscheiden.
Hierbei müssen noch viele Aspekte mitbedacht werden, wie z.B. die Zielgruppe, der Inhalt oder die gewünschte Wirkung. So sollen Avatare nur zum Einsatz gebracht werden, wo der Inhalt es zulässt, keine Live-Kommunikation und kein Dialog stattfindet. Wo hörende Menschen durch Sprecherinnen und Sprecher informiert werden, sollen auch gehörlose Menschen weiterhin menschliche Kommunikator*innen sehen. Texte, für die eine hohe sprachliche Qualität Voraussetzung ist, wo es z.B. durch ein Missverstehen zu einer Gefahr kommen kann, sollen von geprüften Dolmetscher*innen übersetzt werden. Dort, wo Computerstimmen für Hörende zum Einsatz kommen, könnten auch Gebärdensprach-Avatare eingesetzt werden, wenn sie gänzlich verständliche Übersetzungen liefern. Dies ist derzeit noch nicht der Fall.
Nichts über uns ohne uns
Beim Einsatz von Gebärdensprach-Avataren sind ebenso soziale und gesellschaftliche Aspekte zu beachten. In diesem Zusammenhang betonen die Teilnehmer*innen an der Studie, dass Gebärdensprach-Avatare keinesfalls weiter zur sozialen Isolation von gehörlosen Menschen beitragen dürfen, die ohnehin eine eingeschränkte Auswahl an Gesprächspartner*innen haben . Auch haben die meisten Gebärdensprachen der Welt immer noch keinen adäquaten rechtlichen Status. Sie werden gesellschaftlich nicht wahrgenommen und in ihrer Leistungsfähigkeit angezweifelt. Avatare dürfen in diesem Zusammenhang keinesfalls als Lösung für ein vermeintliches Kommunikationsproblem betrachtet und vermarktet werden, betonen die Forscherinnen. Die gesamte Entwicklung und Anwendung von Avataren für Gebärdensprache muss in Zusammenarbeit mit gehörlosen Menschen geschehen, die führend an allen Prozessen beteiligt sein müssen.
Auf der Internetseite der Universität Wien finden Sie ausführliche Informationen zum Forschungsprojekt und zum Leitfaden