Heuer feiert GESTU („gehörlos und schwerhörig erfolgreich studieren“) ihr 15-jähriges Bestehen – ein bedeutender Meilenstein, der zeigt, wie wichtig barrierefreie Hochschulbildung ist. Anlässlich dieses Jubiläums möchten wir die Servicestelle, ihre Geschichte und ihre Arbeit näher vorstellen und damit sichtbar machen, wie viel in den letzten eineinhalb Jahrzehnten erreicht wurde – und wie wichtig dieses Angebot für eine inklusive Bildungslandschaft ist.
Die Servicestelle GESTU unterstützt gehörlose und schwerhörige Studierende an Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Ziel ist es, einen gleichberechtigten und barrierefreien Zugang zum Studium zu ermöglichen.
Die Idee zur Gründung von GESTU geht bereits auf das Jahr 2006 zurück. Damals wurde der Bedarf nach einer zentralen Anlaufstelle für gehörlose und schwerhörige Studierende in Wien immer größer. Zwar gab es erste Initiativen, etwa an der Universität Wien, doch fehlte eine Einrichtung, die alle Wiener Hochschulen mit einem umfassenden Unterstützungsangebot abdeckte. Gemeinsam mit dem VÖGS (Verein Österreichischer Gehörloser Studierender) wurde daher ein Konzept entwickelt, das dem damaligen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung vorgelegt wurde. 2010 konnte das Projekt schließlich an der Technischen Universität Wien starten.
Dank des langjährigen Engagements gehörloser Studierender, Gebärdensprachdolmetscher:innen, Unterstützer:innen aus der Politik und der Kooperation mit der TU Wien wurde GESTU Wirklichkeit. Seit 2012 ist GESTU als Kompetenz- und Servicestelle im Rahmen der Leistungsvereinbarungen der TU Wien fest verankert und für alle Hochschulen in Wien zuständig.
GESTU bietet verschiedenste Leistungen an, um gehörlosen und schwerhörigen Studierenden den Studienalltag zu erleichtern.
Studierende werden von der Servicestelle bei allen Fragen rund ums Studium individuell unterstützt. Für alle studienbezogenen Termine (z.B. Lehrveranstaltungen, Prüfungen, Exkursionen) können Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher:innen organisiert werden. Lehrende werden nach Wunsch vorab informiert und sensibilisiert. Außerdem können Tutor:innen zur Unterstützung bei Mitschriften oder schriftlichen Arbeiten vermittelt werden. Bei Bedarf können auch technische Hilfsmittel ausgeborgt werden. Wichtig ist: GESTU kann nur Dolmetscher:innen für jene Lehrveranstaltungen finanzieren, die Studierende aktuell besuchen und von ihnen angefragt werden. Wie viele Lehrveranstaltungen pro Semester gedolmetscht werden, hängt daher stark vom individuellen Studienplan der Studierenden ab. Manche besuchen nur einen Kurs, andere gleich zehn – je nachdem variiert auch der Dolmetschbedarf. Derzeit werden etwa 20 Studierende von GESTU-Wien betreut.
In den vergangenen 15 Jahren hat sich im Hochschulbereich vieles verändert. Die ersten gebärdensprachigen Studierenden haben ihr Studium bereits erfolgreich abgeschlossen, sind ins Berufsleben eingestiegen oder promovieren sogar. Mittlerweile wenden sich auch viele schwerhörige, lautsprachorientierte Studierende an GESTU – für sie werden hauptsächlich Schriftdolmetscher:innen organisiert. Leider ist jedoch aktuell ein Rückgang bei der Zahl der gehörlosen Studierenden zu beobachten. Grund dafür ist unter anderem die mangelnde schulische Förderung in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS), was viele Jugendliche daran hindert, die Matura zu absolvieren oder ein Studium zu beginnen. Hoffnung geben jedoch gebärdensprachige Lehramtsstudierende, die bald selbst unterrichten und so langfristig das Bildungssystem verändern könnten.
Die Coronapandemie hat auch GESTU vor große Herausforderungen gestellt. Die plötzliche Umstellung auf die Online-Lehre erforderte neue Lösungen – gleichzeitig entstanden aber auch neue Möglichkeiten für flexiblere Unterrichtsmodelle. Einige Lehrveranstaltungen werden weiterhin online angeboten oder aufgezeichnet. Dennoch war diese Zeit für viele Studierende – unabhängig vom Hörstatus – belastend und führte nicht selten zu Studienabbrüchen.
Ein großer Fortschritt in den letzten Jahren ist die Weiterentwicklung der verschiedenen Dolmetschausbildungen in Österreich: Inzwischen kann GESTU auf über 90 zertifizierte Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher:innen zurückgreifen und bei Bedarf auch Dolmetscher:innen für Deutsche Gebärdensprache oder International Sign organisieren. Diese professionelle Zusammenarbeit trägt stark zum Erfolg von GESTU bei.
Für die Zukunft verfolgt GESTU große Ziele: Mehr betroffene Studierende sollen über das Angebot informiert werden, wofür engere Kooperationen mit den Hochschulen angestrebt werden. Zudem soll die Zusammenarbeit mit Schulen intensiviert werden, um Jugendliche schon frühzeitig zu motivieren, die Matura zu machen und ein Studium in Betracht zu ziehen.
Auch die Angebote von GESTU sollen weiter ausgebaut werden. Seit 2022 gibt es zusätzlich zur Servicestelle in Wien einen zweiten Standort in Graz, der künftig auch Studierende in Klagenfurt betreuen wird. Eine Erweiterung in Oberösterreich und damit nach Westösterreich ist bereits in Planung.
GESTU ist heute ein fester Bestandteil der österreichischen Hochschullandschaft und setzt sich tagtäglich für mehr Barrierefreiheit, Chancengleichheit und Inklusion ein – mit dem Ziel, noch viele weitere Studierende auf ihrem Weg durch das Studium zu begleiten.
Kontakt:
Servicestelle GESTU-Wien
www.gestu.at
gestu@tuwien.ac.at
Mobil/Videotelefon: +43 664 60 588 4293
Servicestelle GESTU-Graz
www.tugraz.at/go/gestu-graz
gestu@tugraz.at
Mobil/Videotelefon: +43 664 60 873 4772, +43 664 60 873 4771
Dieser Artikel ist im Rahmen des GebärdenSache-Newsletters entstanden. Hier kannst du dich für unseren monatlichen Newsletter anmelden: