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Verdienstmedaille für Monika Mück-Egg

 

Monika Mück-Egg wurde für ihren unermüdlichen Einsatz für gehörlose Menschen in Tirol mit der Verdienstmedaille des Landes Tirol ausgezeichnet. Mück-Egg ist eine wahre Pionierin: Als dritte Vizepräsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, Leiterin des Gehörlosenverbandes Tirol, Projektleiterin von KommBi, taube Dolmetscherin und Übersetzerin sowie Hauptmitglied des Tiroler Monitoringausschusses arbeitet sie leidenschaftlich für die Rechte und Inklusion gehörloser Menschen. Mit ihrem unermüdlichen Einsatz setzt sie wichtige Meilensteine für Barrierefreiheit und soziale Teilhabe in Tirol. In unserem Interview mit ihr erzählt sie uns, wie wichtig es ihr ist, die Gemeinschaft der gehörlosen Personen in Tirol weiterhin tatkräftig zu unterstützen und auszubauen.  

GebärdenSache: 

Liebe Monika Mück-Egg, Sie haben im August die Verdienstmedaille des Landes Tirol für Ihre „Verdienste um die Inklusion und die Menschenrechte“ bekommen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie persönlich und für Ihre Arbeit im Bereich der Gehörlosen-Community? 

Monika Mück-Egg:  

Danke für die Glückwünsche! Für mich hat die Verdienstmedaille des Landes Tirol folgende Bedeutung: 

Sie ist für mich ein Ausdruck von Wertschätzung, Anerkennung und Lob für meine Arbeit und meinen Einsatz in Bezug auf die Anliegen gehörloser Menschen im Land Tirol, sowie die Auswirkungen, die auch auf ganz Österreich Einfluss nehmen. Das war für mich sehr schön, hier Anerkennung zu bekommen.  

GebärdenSache: 

Könnten Sie uns einen Einblick in Ihre Arbeit geben? Welche Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen? 

Monika Mück-Egg: 

In meiner Rolle als Leiterin des Gehörlosenverbandes mache ich mich besonders in der politischen Arbeit stark. Dabei geht es mir besonders um die Menschenrechte. Von Beginn bis Ende eines Menschenlebens ist es für mich wichtig, dass gehörlose und schwerhörige Menschen zu ihren Rechten kommen! Das beginnt dabei, Kindern ein Aufwachsen mit Gebärdensprache zu ermöglichen. Auch der Zugang zu Deutsch oder zur bevorzugten Laut- und Schriftsprache soll ihnen angeboten und ermöglicht werden. Es geht dabei darum, ihnen mehrere Sprachen anzubieten und den Fokus nicht wie bislang nur auf das Erlernen der gesprochenen Sprache zu legen. Auch die Gebärdensprachkompetenz muss von Anfang an entsprechend gefördert werden. Da geht es darum, dass das Kind den Spracherwerb durchlaufen und sich entsprechend entwickeln kann. Das zieht sich dann auch vom Kindergarten bis zum Schulalter durch, wo dann auch der Anspruch auf Dolmetschung dazu kommt. Inklusion bedeutet für mich in diesem Kontext, dass mehrere gehörlose und mehrere hörende Kinder gemeinsam beschult werden. Die gehörlosen Kinder können gebärdensprachlich kommunizieren und so lernen die hörenden Kinder auch gleich Gebärdensprache mit. Derzeit sieht die Situation so aus, dass man eher von Integration sprechen würde. Ein gehörloses oder schwerhöriges Kind kommt in eine Klasse mit hörenden Kindern. Automatisch hat dieses Kind kein Gegenüber, mit dem es in Gebärdensprache kommunizieren kann. Das ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Das kann man wirklich nicht als Inklusion bezeichnen. Das bedeutet, dass man in Tirol bis heute leider nicht von wahrer Inklusion sprechen kann. Das ist also ein Bereich, für den wir uns weiterhin engagieren. Weiters ist die Benachteiligung von gehörlosen Personen besonders im Bildungsbereich zu erkennen. Viele gehörlose Menschen hinken in der Bildung hinterher, weil es keine entsprechenden Angebote gibt. Es reicht nicht aus, den Inklusionsbegriff breit zu trampeln. Man muss sich wirklich damit auseinandersetzen, was Inklusion eigentlich heißt! Ich vergleiche das gerne mit einem Aquarium, in dem verschieden färbige Fische umherschwimmen. Von oben betrachtet sieht das optisch schön aus, wie sich diese bunte Vielfalt vor einem ausbreitet. Aber in Wahrheit kann niemand einen dieser Fische fragen, wie es ihm denn geht. So ist das auch im Schulsystem. Wenn beispielsweise ein gehörloses Kind in der Klasse mit nur hörenden Kindern ist, denken Lehrer:innen und Direktor:innen von außen betrachtet oft, dass alles gut aussieht und alles super im Sinne der Inklusion läuft. Aber niemand geht einmal auf das Kind zu und fragt es: “Wie geht es dir eigentlich in dieser Schule?” Den Kindern ist das somit auch selbst oft nicht bewusst. Genau das stört mich wirklich, dass das so läuft. Da müssen wir weiterhin für Veränderung kämpfen. In der Bildung muss endlich Chancengleichheit her! Es reicht nicht immer nur Bildungsrückstände aufholen zu versuchen! Auch in vielen anderen Bereichen, wie Medien und Zugang zu Informationen brauchen wir endlich Gleichberechtigung! Klar ist es wichtig und notwendig, bei Veranstaltungen Dolmetscher:innen beizuziehen. Aber man muss davon wegkommen, immer nur davon auszugehen, dass gehörlose Menschen Dolmetschung benötigen, denn auch die hörenden Personen sind es, die von der Dolmetschung Gebrauch machen. Beispielsweise wenn bei einer Veranstaltung in Gebärdensprache eine hörende Person teilnehmen möchte. Auch da ist es notwendig Dolmetscher:innen beizuziehen. Es ist nicht so, wie viele denken, dass nur wir gehörlose Personen Dolmetscher:innen brauchen. In diesem Zusammenhang ist es wirklich wichtig, das entsprechende Bewusstsein zu schaffen!  

Ich möchte auch betonen, dass gehörlose Personen einen Anspruch auf Dolmetschung haben sollen. Da darf es kein Wenn und Aber geben und es dürfen keine anderen Begründungen, wie die fragliche Übernahme der Kosten, vorgeschoben werden! In der UN-Behindertenrechtskonvention steht, dass es ein voller Anspruch auf Dolmetschung zu gewährleisten ist!  

Auch im Fernsehen besonders bei den Nachrichten möchte ich nochmal betonen, wie wichtig es ist Dolmetschung und Untertitel einzublenden! Oft gibt es nur eines davon, entweder Untertitel oder Dolmescheinblendung. Das ist nicht genug! Es muss beides eingeblendet werden. So ist sichergestellt, dass wenn eine Gebärde nicht verstanden wird, das Wort dazu im Untertitel wahrgenommen werden kann. Auch im Falle eines Dolmetschwechsels oder einer Auslassung in der Dolmetschung ist es notwendig, sind die Untertitel essenziell, um den verpassten Inhalt aufnehmen zu können. Ich setze mich also für einen umfassenden Anspruch auf Dolmetschung und Untertitelung ein. Das soll kein Entweder-Oder sein! Wir brauchen beides.  

Ein weiteres Anliegen ist, dass Medienfirmen Untertitel und Dolmetschung direkt einblenden. Bis heute läuft das oft über einen extra Kanal. Das ist beispielsweise der Kanal ORF 2E. Das finde ich nicht richtig. Die Dolmetscheinblendung muss auf dem Hauptkanal zu sehen sein. Ganz nach dem Motto: Gleiches Recht für alle. Egal ob gehörlos oder nicht – alle Zuseher:innen sollen den gleichen Kanal verwenden können. Die Sendung “Bundesland heute” ist nach wie vor ein Streitpunkt. Auch hier mache ich mich stark, dass wir endlich Dolmetscheinblendung und Untertitel bekommen! Es gibt zwar derzeit Untertitel, aber die werden nachträglich eingefügt und sind oft sehr zeitverzögert. Da kämpfe ich weiterhin dafür, dass sich etwas ändert!  

Das heißt ich befasse mich mit zahlreichen Facetten von Barrierefreiheit für gehörlose Personen. Mein zweiter Fokus liegt auf dem Thema Wohnen. Derzeit ist die Situation so, dass gehörlose Menschen technische Hilfsmittel, wie eine Lichtglocke oder Videosysteme aus eigener Tasche bezahlen und dann erst extra einen Antrag stellen müssen. Die Kostenübernahme ist dann oft vom Einkommen abhängig. Für Personen im Rollstuhl wird gesorgt, dass ein Lift oder eine Rampe vorhanden ist. Gehörlose Menschen sind in Bezug auf Hilfsmittel immer Bittsteller und müssen alles extra beantragen. So kann es nicht weitergehen! Da muss Gleichberechtigung her, so wie es auch die UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht. Und das sehe ich auch als Ziel meiner Arbeit.   

GebärdenSache: Welche Ziele möchten Sie in Bezug auf die Versorgung und Betreuung gehörloser Menschen in Tirol erreichen, und warum sind Ihnen diese Anliegen besonders wichtig? 

Als erstes Ziel für die Arbeit, die ich noch vor mir habe, sehe ich den Bedarf einer Gehörlosenambulanz in Tirol. In Westösterreich sind wir da wirklich benachteiligt. Es gab schon einmal Initiativen, aber die sind dann wieder im Sand verlaufen. Mir liegt es am Herzen, da wieder aktiv zu werden und auf das Ziel hinzuarbeiten, eine Gehörlosenambulanz in Tirol zu gründen.  

Die zweite Sache, die mir noch wichtig ist, wäre ein Altersheim für gehörlose Menschen in der Nähe des Gehörlosenzentrums. Momentan sind viele ältere gehörlose Personen einzeln in unterschiedlichen Altersheimen untergebracht. Von dort aus können sie oftmals nicht mehr die Vereine besuchen und sind regelrecht isoliert. Es fehlen ihnen soziale Kontakte, der Zugang zu Informationen und ein Umfeld, in dem sie sich in Gebärdensprache unterhalten können. Wo bleibt da das Recht auf Kontakte zu anderen gehörlosen Menschen? Hörende Personen in Altersheimen haben da den Vorteil, sich miteinander unterhalten zu können, mit dem Pflegepersonal kommunizieren zu können oder auch einfach miteinander Karten zu spielen und zu plaudern.  

Meine Ziele sind somit erstens eine Gehörlosenambulanz in Tirol zu schaffen, zweitens ein Altersheim für gehörlose Personen zu gründen und drittens auf gehörlose Personen mit Mehrfachbeeinträchtigung, wie z.B. kognitiven Einschränkungen, besonders einzugehen. Auch hier ist es so, dass sie oft in verschiedenen Institutionen einzeln untergebracht sind. Die gebärdensprachliche Kommunikation beschränkt sich da oft nur auf die unterstützende Verwendung einzelner Gebärden. Das heißt, dass dort eine vollwertige Kommunikation fehlt und so auch Bedürfnisse nicht entsprechend kommuniziert werden können. Hier soll unser nächstes Projekt ansetzen. Im ersten Schritt geht es darum, auszuloten, wo denn überhaupt gehörlose Personen mit Mehrfachbeeinträchtigung untergebracht sind und somit den Bedarf an Personen einzuschätzen. Im Anschluss soll nach dem Vorzeigeprojekt Schenkenfelden in Oberösterreich ein ähnliches Angebot in Tirol entstehen.  

GebärdenSache: 

Wie hat sich die Situation für gehörlose Menschen in Tirol und Österreich in den letzten Jahren entwickelt? Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf? 

Monika Mück-Egg: 

Also die Situation in Tirol ist momentan so, dass kleine Verbesserungen wahrzunehmen sind. Beispielsweise stehen nun bereits mehr Dolmetscher:innen zur Verfügung als zuvor und auch der Anspruch auf Dolmetschleistungen wird besser. Aber es ist vielen gehörlosen Personen einfach noch nicht bewusst, dass sie einen Anspruch haben. Das zweite Thema ist, dass man sich aussuchen kann, welche:n Dolmetscher:in man für einen Termin nehmen möchte. Da fehlt auch noch das Bewusstsein. Dahinter steht oftmals jahrelange wiederkehrende Erfahrung von Fremdbestimmung. Da gilt es Bewusstsein zu schaffen und zu vermitteln, dass wir gehörlose Personen ein selbstbestimmtes Leben führen und die eigenen Ansprüche geltend machen können. Die eigenen Kinder oder Verwandte ein bisschen zum Dolmetschen heranzuziehen ist wirklich keine Lösung! Es gibt Dolmetscher:innen und die sollen auch entsprechend eingesetzt werden. Das ist mein Ziel, nicht nur für Tirol, das betrifft ganz Österreich. Das ist wichtig, dass dafür Bewusstsein geschaffen wird.  

Insgesamt möchte ich noch sagen, dass es leider immer noch zu wenige Dolmetscher:innen gibt. Dabei ist es auch wichtig zu schauen, dass Dolmetscher:innen in ihrem Register flexibler werden. Oftmals kommen sie aus der Ausbildung mit einem hohen gebärdensprachlichen Niveau, jedoch fehlt es dann meist an Ausdrucksmöglichkeiten in der alltäglichen Kommunikation mit gehörlosen Menschen. Da haben Dolmetscher:innen oft Schwierigkeiten das Sprachniveau an den alltäglichen Gebärdensprachgebrauch anzupassen. Da muss man wirklich hinschauen, wie man Lösungen findet, dass Dolmetscher:innen genügend Erfahrungen in der Community sammeln und sich dann an das jeweilige Sprachniveau und –register der Kund:innen anpassen können. Das ist mir wichtig.

GebärdenSache: 

Welche Botschaft möchten Sie der Gehörlosen-Gemeinschaft mit auf den Weg geben? 

Monika Mück-Egg: 

Ich richte mich mit der Botschaft an die Community, dass österreichweit die Vereine eine ganz wichtige Funktion haben. Ein Gehörlosenverein benötigt seine Mitglieder, um fortbestehen zu können. Die einzelnen Vereine sind wiederum Mitglied in den Gehörlosenverbänden, also den einzelnen Landesverbänden, wie es ihn z.B. in Tirol, Oberösterreich oder der Steiermark gibt. Diese sind dann wiederum dem Dachverband, dem Österreichischen Gehörlosenbund, zugeordnet. Das bedeutet somit, dass die Mitglieder der einzelnen Vereine eine tragende Rolle haben. Wenn sich alle nur noch privat beschäftigen und die Mitgliederzahlen in den Vereinen sinken, wird es irgendwann zur Auflösung der Vereine führen. Das würde bedeuten, dass sich auch irgendwann die Landesverbände oder gar der Gehörlosenbund auflöst und damit wären auch die politische Arbeit und alle Bemühungen um die Anliegen gehörloser Menschen auf einen Schlag verschwunden. Die Folge ist dann, dass alle gehörlosen Personen in Österreich auf sich allein gestellt sind und für ihre Interessen selbst kämpfen müssen, da kein Verein oder Verband mehr hinter ihnen steht.  

Daher ist es für mich ganz wichtig, nochmal zu betonen, dass wir euch als Mitglieder brauchen, um politische Arbeit zu leisten. Damit will ich nicht sagen, dass ihr für die Vereine Werbung machen sollt. Ich möchte sagen, dass wir natürlich schauen, wer Mitglied ist und unsere Unterstützung selbstverständlich angeboten wird. So wird das auch österreichweit in anderen Vereinen gehandhabt.  

Ich hoffe auch, dass sich gehörlose Personen über Barrieren nicht nur auf Facebook oder anderswo beschweren, sondern wirklich mit ihren Verbänden in Kontakt treten und Barrieren auch auf politischer Ebene melden. Ein Beispiel wären Barrieren in der Schulbildung. Da bitte ich wirklich darum, so etwas auch der Bildungsdirektion zu melden! Es ist auch möglich, parallel den Gehörlosenverband zu informieren und so einzelne Themen ins Rollen zu bringen. 

Bitte gebt nicht die Verantwortung ab und denkt euch, das wird schon der Gehörlosenbund oder der Landesverband für mich erledigen. Wir müssen zusammenarbeiten! Dahingehend ist auch mein Wunsch, dass sich gehörlose Personen an Demos beteiligen. Es ist der falsche Weg zu denken, dass man schon einmal auf einer Demo war und dass das sowieso nichts bringt. Beim Demonstrieren geht es darum Themen immer wieder vorzubringen, bis man etwas erreicht. So machen es hörende Personen ja auch. Da kann man wirklich sagen, einmal ist zu wenig. Mein Wunsch ist also mehr Zusammenarbeit und mehr Miteinander. Die Gehörlosengemeinschaft ist klein und fast wie eine Familie und das ist ja gerade das Schöne!  

Danke und tschüss!  

 

Dieser Artikel ist im Rahmen des GebärdeSache-Newsletters entstanden. Hier kannst du dich für unseren monatlichen Newsletter anmelden:

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